Mach ma Madrid

20140319-080817.jpgVor der Auslosung war meine Ansage klar: mach ma Madrid. Die hauen wir wech. Und da wollt ich immer ma hin. Was machte die Glücksfee: zog Madrid. Jetzt bin ich da. Und wie isses so?

Dienstag, Spieltag, 15.40 Uhr. Sitze in der Metrolinie 8 vom Flughafen ins Zentrum. Nuevros Ministerios muss ich umsteigen, dann noch mal und dann in zwei Häuserblöcke gehen. Dann bin ich am Hostel. Klingt einfach. So wie die ganze Reise eigentlich einfach klang, vor Wochen. Eigentlich sogar bis gestern, bis die Franzosen einen Streik ankündigten und mein Flug 17 Stunden vor dem Start einfach mal geknickt wurde. Aber darüber schrieb ich ja schon gestern. Die Anreise heute verlief problemlos. Mein Vorname war mein Nachname, doch Iberia ließ mich trotzdem mitfliegen. Allerdings für dreimal so teuer wie Vueling. Dafür war ich heute ne halbe Stunde eher in Madrid als ursprünglich angedacht. Und wer dachte: Jau, teurer Flug, Premium-Airline, akzeptables Essen und ne kostenfreie Cola dazu – denkste! Das Bier kostete drei Euro on top. Der Plan jetzt: ins Hostel, kurz Sachen ablegen und auf den Platz in die Sonne, auf dem sich um 17.30 Uhr der blau-weiße Marsch Richtung Estadio Santiago Bernabéu in Gang setzt. Später mehr in diesem Blog.

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16.10 Uhr, Hostel FarHome B&B: Neee, Freunde, es ist nicht wie wir denken. Das da überm Bett ist kein Rollo, das man hochzieht und hinter dem die Sonne scheint. Das ist ganz anders: Das ist ne Wand mit LED-Schlauch. Kann man so machen…

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16.44 Uhr. Plaza Puerta del Sol: Rund um den zentralen Platz Puerta del Sol singen sich die blau-weißen Fans warm. Wobei Warmsingen bei 16.40 Uhr und 23 Grad gar nicht nötig ist. Viele sind in kurzen Hosen unterwegs, ein Teil der Fans sogar schon am Sonntag angereist. Die Spanier wundern sich ein wenig, dass die Gäste nach dem 1:6 so gut gelaunt sind.

Um 17.30 Uhr wollen sich die rund 6000 Schalker dann von hier aus zu Fuß in Bewegung setzen. Das Bernabéu-Stadion liegt etwa 60 Minuten Fußweg in Richtung Nord. Anstoß ist um 20.45 Uhr.

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18.40 Uhr, der Marsch erreicht in Kürze das Stadion. Vollkommen friedlich, aber sehr lautstark ziehen rund 4000 Schalker von der Altstadt zum Stadion. Kaum Polizei, aber umso mehr staunende Einheimische stehen am Straßenrand oder auf den Balkonen der Straßen. Immer, wenn jemand oben auf dem Balkon auch nur annähernd aussieht wie Raúl, huldigen ihn die Schalker mit dem lang gezogenen Rauuuuuuuuul. Der Senor, wie man ihn auf Schalke nennt, ist zwar nicht da – aber omnipräsent.

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Mittwoch, 7.50 Uhr: aufgewacht nach langer Nacht. Was soll man schon schreiben zum Sportlichen nach einem 2:9 in zwei direkten Duellen? Nur dreierlei von mir: Mir hat die Leistung von Kaan Ayhan super gefallen. Er war in seinem zweiten(?) oder dritten Profielf-Starteinsatz der besser Doppelsechser als sein Nebenmann Roman Neustädter. Klasse! Zweitens ist die Leistung unseres Torhüters gar nicht hoch genug einzuschätzen: Das hatte Manuel-Neuer-in-seinen-besten-Schalker-Tagen-Format. Und drittens war dieses 1:3 in Madrid da vermutlich größte Spiel in der Karriere des Tim Hoogland.

Zu einer ansonsten guten ersten und schwachen zweiten Halbzeit sage ich heute ansonsten nichts. Weil die Qualität des Spiels und die Bedeutung für mich auch weit in den Hintergrund tritt hinter einem Schalke-Tag, der gezeigt hat, wie großartig der Fußball insgesamt sein kann, wenn er ist wie gestern. Mit Schalke nach Madrid zu reisen, war jeden Cent wert. Es ist toll, mit welcher Leidenschaft und Freude die Anhänger des Kumpel- und Malocherclubs hier aufgetreten sind – und zwar vollkommen gewaltfrei; nicht mal in die Nähe von Gewalt kam das, was wir erlebt haben. Wenig Polizei in der Stadt hat das Schalke-Erlebnis souverän begleitet, uns für den Marsch den Weg frei geräumt und absolut deeskalierend beobachtet (wobei: das Wort bringt ja eigentlich mit, dass es sowas wie Ansätze von Eskalation gegeben haben müsste – gab es aber null).

Und dann der Auftritt im Stadion – ein Support über die kompletten 90 Minuten, der alles in den Schatten stellt. Dabei hat vermutlich geholfen, dass das Spiel nach dem 1:6 ohne größeren Wert war: keine Anspannung, keine Rechnereien – es ging um nichts. Oder sagen wir es anders, richtig: Es ging nicht um ein Fußballspiel, sondern um das Ausleben einer großen innigen Liebesbeziehung zu einem Club, der unser Leben bereichert. Klar, das 5:2 vor zwei Jahren in Mailand, das war ein ganz besonderer Moment in der Geschichte von Schalke 04. Aber unsere Leidenschaft erlebt ihre volle Ausprägung doch erst in der Niederlage. Schalke ist kein Gewinnerclub, Schalker sind keine Schalker des Erfolgs wegen. Der Verein hat einen Mythos, der sicher gespeist ist durch Erfolge in seiner Geschichte, aber der lebt durch seine verlorenen Schlachten. Ich gewinne auch gern, und so schlecht steht es mit dem Sieg-Niederlage-Verhältnis ja nun auch nicht. Aber die wahre Pracht scheint in der Niederlage auf. Gestern, an diesem atemberaubend schönen Frühjahrstag von Madrid.

So, aufstehen. Das Wetter ist heute nicht so überragend, aber die Stadt ruft trotzdem: noch eins, zwei Stündchen umsehen, und dann geht es noch mal rein ins Bernabéu zu einer Besichtigungstour. Melde mich später wieder.

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Mittwoch, 10.58 Uhr. Das Estadio Vicente Calderon. Hier spielt Atlético. Ich weiß nicht genau, warum. Aber Fußballstadien faszinieren mich. Sie strahlen eine Magie aus, selbst wenn sie leer sind. Es ist das Gefühl, dass hier große Fußballspiele stattfinden, bei denen Menschen sich unter Flutlicht in den Armen liegen, jubeln oder weinen, singen oder schreien. Die Architektur für magische Momente, wenn in der 93. Minute das entscheidende Tor fällt, wenn der Lärmpegel ins unermessliche steigt. Ich habe den Drang, sie mir anzuschauen, zumindest von außen. Damals in London habe ich Grounds besucht und war vor allem fasziniert von dem des FC Fulham. Heute ist es das des Zweitclubs aus Madrid. Und hier führt auch noch eine sechsspurige Straße hindurch. Nicht schön. Aber besonders.

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13.25 Uhr: Stadiontour: Estadio Santiago Bernabéu. Während die Müllkolonne hier mit Blasmaschinen durch die Reihen kämmt und Nussschalen beseitigt, während der Torraum mit Höhenlicht bestrahlt wird, schauen wir runter in dieses beeindruckende Etwas von Stadion. Es hat eine enorme Höhe, sehr steile Ränge – und davon gleich fünf – und viel Charme. Ich glaube, so wollte Assauer das auf Schalke auch, doch der dritte Rang unserer Arena hätte damals das doppelte der Kosten verursacht. Während man in Madrid den Generalumbau und Ausbau für 400 Millionen Euro plant, schaut die ganze Fußballwelt mit Neid herüber. Wer das mit dem grausilbernen Etwas namens Allianz Arena vergleicht, der sieht zwei Welten: Eleganz und betonale Hässlichkeit.

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Mittwoch, 16.10 Uhr: Schlussrunde. So langsam neigt sich das Erlebnis #schalkeinternational seinem Ende entgegen. Was bewegt mich, immer wieder dabei sein zu wollen, wenn Schalke 04 bei den großen Klubs Europas spielt? Was treibt mich, zwei, drei Tage Urlaub zu nehmen, Flüge zu buchen, auf ein Ticket zu hoffen, ein Hotel auszubuddeln, das strategisch und preislich günstig liegt? Es ist recht einfach: Es ist wie eine Klassenfahrt, ein Zusammentreffen mit Leuten, die man immer nur dann sieht, wenn man mit Schalke durch die Welt reist. Die gleichen Gesichter, die gleichen Gespräche. Man spricht sie gerne, diese Fußball-Fachsimpeleien, diese oft auch Nonsens-Gespräche. Es ist ein großer Spaß, sich in seinen Vereinsfarben in das wuselige Leben europäischer Metropolen zu mischen und so ein bisschen Karnevalsstimmung zu verbreiten. Es ist magisch, diese Arenen, die man aus dem Fernsehen kennt, aus ganz anderer Perspektive und in echt zu erleben. Es ist magisch, die eigene Elf würdig zu supporten. Und man trägt das S04-Signet mit Stolz auf der Brust. Stolz auf den geilsten Club der Welt – mein Schalke.

So, genug geschnulzt. Jetzt noch eine halbe Stunde die spanische Sonne genießen, dann geht es zurück in die Heimat. Gegen 1.30 Uhr werde ich ins eigene Bett fallen. Und dann ist auch schon fast wieder Spieltag. Braunschweig.

Glück auf aus Madrid!

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2 Gedanken zu “Mach ma Madrid

  1. Jau Tobi, Du schreibst mir aus dem blau-weißem Herzen – Schalke und die tollen Fans und Freunde und immer wieder gerne gemeinsame Stadiontouren – Madrid oder Mailand egal! Hauptsache Schalke!!!

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